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Rechtliche Bedenken, oder Beschützer der Reichen und Privilegierten

Christian Lange, Mitglied im Deutschen Bundestag und Vorsitzender der SPD-Landesgruppe BW hat Strafanzeige bei der Staatswanwaltschaft Stuttgart gegen den Ministerpäsident des Landes Baden-Württemberg wegen Strafvereitelung im Amt gestellt. Im Folgenden veröffentlichen wir den Wortlaut des Schreibens: Strafvereitelung im Amt wegen Nichtankauf der Steuersünder-CD Sehr geehrter Herr Mahler, hiermit stelle ich Strafanzeige gegen 1.Stefan Mappus, MdL, Ministerpräsident von Baden-Württemberg 2.Prof. Dr. Ulrich Goll, MdL, Justizminister des Landes Baden-Württemberg wegen Strafvereitelung im Amt, § 258a StGB. Sachverhalt Laut verschiedenen Zeitungsberichten haben die baden-württembergischen Finanzbehörden im Januar dieses Jahres ein Angebot zum Kaufeiner Daten-CD erhalten. Auf der Datei sollen sich die Daten von l .748 Steuerbetrügern befinden, die zu versteuernde Einkünfte auf Schweizer Banken transferiert haben. Unbekannt ist, wie sich der Anbieter die Daten beschafft hat - als Insider der betreffenden Bank oder als Hacker von außen oder auf andere Weise. Der Justizminister von Baden-Württemberg Ulrich Goll hat daraufhin erklärt, er wolle „keine dubiosen Geschäfte mit dubiosen Leuten, die dubiose Motive haben". Ein Ankauf derartiger Datensammlungen bewege sich „mindestens in einer rechtlichen Grauzone"; auf diese Weise werde Denunziantentum gefördert. (Stern, 6.2.2010). Am 27. Februar 2010 erklärte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, das Land werde die CD nicht kaufen. Zur Begründung hat er angeführt, er mache nichts, was nicht weitestgehend rechtlich eindeutig sei. Beurteilung Strafvereitelung im Amt begeht, wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren berufen ist, absichtlich oder wissentlich vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird. Justizminister und Ministerpräsident sind Amtsträger, die zur Mitwirkung am Strafverfahren berufen sind. Herrin aller Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft. Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Weisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. Der Justizminister von Baden-Württemberg hat die Dienstaufsicht und damit das Recht der Aufsicht und Leitung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des Landes, §§147 GVG, 16 AGGVG Baden-Württemberg. Der Ministerpräsident bestimmt nach der Landesverfassung die Richtlinien der Politik. Beide haben die Entscheidung über den Ankauf an sich gezogen und verhindern ihn per Weisung. Diese Weisung ist rechtswidrig. Denn sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen. Sie hat für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist. So bestimmt es § 160 StPO. Nach § 94 StPO hat die Staatsanwaltschaft mögliche Beweismittel in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. Das wird hier per Weisung untersagt. Eine Begründung, die nur einigermaßen den rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht, wird nicht gegeben. Minister und Ministerpräsident haben zwar deutlich gemacht, sie hätten Zweifel, ob der Ankauf rechtmäßig sei. Eine Weisung darf aber nicht auf Zweifel gestützt werden. Sonst könnte jede Strafverfolgung verhindert werden. Denn Zweifel kann es immer geben. Minister und Ministerpräsident dürfen eine solche Weisung nur darauf stützen, dass sie den Erwerb des Beweismittels trotz dringender Anhaltspunkte für erhebliche Straftaten, die anders nicht ermittelt werden können, für rechtswidrig halten. Das haben sie nicht geprüft und nicht erklärt und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Denn der Ankauf der Daten ist rechtmäßig. Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Anbieter der CD nach deutschem Recht nicht strafbar gemacht hat. Nach deutschem Recht ist das Ausspähen von Daten strafbar. § 202 a StGB, wenn sich der Täter Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft. Ein Täter, der als Insider in der Schweizer Bank Zugang zu den Daten hat und deshalb auch keine Zugangssicherung überwinden muss, hat zwar seine arbeitsvertraglichen Pflichten mit der Schweizer Bank verletzt, ist aber nach dieser Vorschrift nicht strafbar. Ein Hacker, der die Zugangssicherung in einer Schweizer Bank überwindet, ist ebenfalls nach deutschem Recht nicht strafbar. Es handelt sich beim Ausspähen von Daten nicht um eine Auslandstat gegen inländische Rechtsgüter. Die hierunter fallenden Straftaten sind in § 5 StGB abschließend aufgezählt; das Ausspähen von Daten gehört nicht dazu. Weitere Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch sind nicht einschlägig. § 202 b StGB (Abfangen von Daten) schützt vor einem Abfangen von Kommunikationsvorgängen und erfasst weder der Insider noch der Hacker. § 202 StGB (Verletzung von Privat-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen') greift ebenfalls nicht ein, weil damit nur die Geheimnisse, die einzeln aufgeführten Berufsgeheimnisträgern anvertraut sind, geschützt werden. Bankangestellte gehören nicht zu diesen Berufsgeheimnisträgern. Das Hacken von Daten einer Schweizer Bank ist kein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz und daher auch nicht nach § 44 BDSG strafbar. Denn das Bundesdatenschutzgesetz findet auf datenverarbeitende Stellen außerhalb der Europäischen Union und außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes, zu dem die Schweiz nicht gehört, nach § l Abs. 5 BDSG nur dann Anwendung, wenn die personenbezogenen Daten im Inland erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Das ist aber nicht der Fall. Schweizer Banken erheben, verarbeiten und nutzen die Daten ihrer Kunden in der Schweiz. Diese Sachverhalte werden vom Bundesdatenschutzgesetz nicht erfasst. Der Informant, der den Steuerfahndern die Steuersünder-CD aushändigt, ist auch nicht nach § 17 UWG wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen strafbar. § 17 UWG verweist in seinem letzten Absatz ausdrücklich auf § 5 StGB. Danach schützt das UWG nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aller Unternehmen auf der ganzen Welt. Geschützt werden nach deutschem Recht nur die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von deutschen Unternehmen oder von ausländischen Unternehmen, deren Sitz in Deutschland liegt oder von ausländischen Unternehmen, die von einer deutschen Konzernmutter abhängig sind. Alle diese Voraussetzungen liegen bei einer Schweizer Bank mit Sitz in der Schweiz nicht vor. Der Ankauf eines Beweismittels ist auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage zulässig. Nicht zulässig wäre ein Eingriff in die Rechte des CD-Verkäufers, die hier aber nicht erforderlich ist. Denn es kann eine Einigung mit dem Anbieter erfolgen. Schließlich macht sich selbstverständlich der den Ankauf vornehmende Staatsanwalt beim Ankauf dieser CD nicht strafbar. Wie oben ausgeführt, ist das Beschaffen oder Erhacken dieser Daten oder der CD-Diebstahl in der Schweiz nach deutschem Recht nicht strafbar. Hilfsweise sei darauf hingewiesen, dass eine Strafbarkeit wegen Hehlerei f§ 259 StGB) schon deshalb ausscheidet, weil der Hehler mit Bereicherungsabsicht handeln muss. Der Staatsanwalt handelt aber nicht mit der Absicht, sich zu bereichern, sondern entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag, Straftaten zu verfolgen. Die angekaufte Daten-CD könnte auch in Strafverfahren verwertet werden. Wie bereits ausgeführt, hat sich der Anbieter der CD nach deutschem Recht nicht strafbar gemacht. Er hat möglicherweise vertragswidrig gehandelt. Nach der Rechtsprechung können jedoch Beweismittel übernommen und verwertet werden, die Private unter Verwendung von Methoden erzielt haben, die vertragswidrig, ggf. auch strafbar sind. Davon gibt es nur zwei Ausnahmen: die Beweismittel dürfen nicht verwertet werden, wenn sie unter grober Missachtung der Menschenrechte beschafft wurden. Und der Staat darf nicht Privatpersonen quasi vorschicken, um die Beweismittel zu beschaffen, die er selbst nicht beschaffen darf. Beides ist hier nicht der Fall. Fazit; Die Weisung von Minister und Ministerpräsident an die nachgeordnete Staatsanwaltschaft war deshalb rechtswidrig. Sie wurde lediglich auf unhaltbare Zweifel gestützt, die nicht geklärt wurden. Diese rechtswidrige Weisung führt dazu, dass wissentlich und absichtlich die strafrechtliche Verfolgung der auf der CD verzeichneten Steuersünder vereitelt wird, obwohl Minister und Ministerpräsident mittels ihrer dienstsaufsichtlichen Möglichkeiten dafür sorgen müssen, dass erhebliche Straftaten auch verfolgt werden. Hier wird die Dienstaufsicht im Gegenteil dazu genutzt, die Strafverfolgung zu unterbinden. Christian Lange Ich bitte deshalb um Aufnahme von Ermittlungen sowie um Mitteilung über deren Ausgang. Mit freundlichen Grüßen Christian Lange


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