Kommunalpolitik
25.11.2020 in Kommunalpolitik
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Henle,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Bürger,
Corona bestimmt gerade unser Alltagsleben, unser berufliches Leben, und es bestimmt auch unsere kommunalpolitische Agenda. Große Herausforderungen haben wir dabei zu bewältigen – niemand kann das weitere Pandemiegeschehen und den Verlauf der Konjunktur voraussagen und dennoch müssen wir für ein ganzes Jahr planen, quasi in einem neuen magischen Viereck aus Flexibilität und Mut, wie das OB Henle nannte, Unsicherheit und dennoch Handlungsdruck. Dies betrifft den Plan 2021 und ebenso die Mifrifi (mittelfristige Finanzplanung, d.Red.) – wobei diese immer eher den Charakter eines Planspiels hat mit großen Abweichungen bis zum Ende des Planungszeitraumes. Da wir keine Sicherheit haben, müssen wir vielleicht manche Entscheidung vertagen – aber grundsätzlich haben wir zwei Möglichkeiten: uns lähmen lassen wie das Kaninchen vor der Schlange oder den Mut zu haben für Entscheidungen, die uns im Augenblick richtig erscheinen. Das Sprichwort „Erfahrene Propheten warten die Ereignisse ab“, nützt uns hier leider nichts! Wir mögen im Rückblick zwar schlauer sein, aber verpasste Chancen bleiben verpasste Chancen. Es gibt, nicht nur in der kindlichen Entwicklung, Zeitfenster, die nicht verpasst werden sollten bzw. gar nicht verpasst werden dürfen, wenn es eine gute Entwicklung sein soll! Vor uns liegt nun der zweite Haushalt nach dem System der Doppik – wirklich einfacher ist er für uns immer noch nicht zu lesen und wir können weiterhin kaum vergleichen, da wir nur die Planzahlen 2020 sehen, aber noch keine Ergebnisse. In den kameralistischen Plänen haben wir uns nach vielen Jahren blind zurechtgefunden – jetzt müssen wir suchen – und oft bleibt dies lange vergeblich: Wo finde ich zum Beispiel den Etatansatz für das „Netzwerk Verständigung“? Und dann die Überraschungen – etwa zwei neue Teilhaushalte. Zunächst ein Dank an Sie, Herr Dr. Brütsch, dass Sie unserer letztjährigen Bitte nachgekommen sind, mehr differenzierende Anmerkungen aufzunehmen. Personalaufwendungen sind leicht nachzuvollziehen, wenn ich den Stellenplan zur Hand nehme, schwieriger wird es bei den Zeilen 14, den „Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen“ - ein wahrer Gemischtwarenladen (ähnlich einem bekannten Einzelhandelsgeschäft in der Marktstraße, wo zwar der Ladenbesitzer genau weiß, wo sich was befindet, der Kunde aber etwas ratlos vor dem Angebot steht). Ein Gemischtwarenladen ist auch die jeweilige Zeile 17 mit den „Transferaufwendungen“ – dahinter verstecken sich sowohl große Felsbrocken als auch feinster Gries. Ein kleines Aber: die Aufschlüsselung in den Anmerkungen ist je nach Teilhaushalt, Produktgruppe und Produktbereich sehr unterschiedlich ausgefallen. Das wird einige Nachfragen in der Einzelplanberatung nach sich ziehen.
Zu den Planzahlen:
Diese sind im Vergleich zu 2020 von der Verwaltung aufgrund der Entwicklung neu bewertet worden, was sich in einigen größeren Abweichungen zeigt. Die Verwaltung hat also inzwischen erweiterte Kenntnisse, sodass der Entwurf nicht im Treibsand steckt, sondern so exakt ist, wie es denn geht. Wir im Gremium kennen diese Entwicklungen nicht – wir haben keine aktualisierte Darstellung des „Ist“ zu einem bestimmten Stichtag und können also noch weniger einschätzen, ob und in welchem Maße diese Zahlen der Entwicklung 2021 standhalten.Da komme ich auf Kollegin Carle zurück, die in ihrer letztjährigen Rede mehrmals das „Wir vertrauen“ einfließen ließ. Manche Zahlen sind dennoch nur Hausnummern, etwa die Ansätze der Erträge von Gemeindesteuern in der Mifrifi. Das ist insoweit ok, weil wir alle keine Glaskugel haben. Das heißt aber auch, dass die Ansätze im restlichen Haushalt, die bis auf die Einerstelle genau sind, eine Exaktheit vorspiegeln, die gar nicht gegeben sein kann – und es heißt folgerichtig dann auch, dass die errechneten Abschreibungen nicht genauer sein können als die Ansätze für Aufwendungen, unabhängig vom Fehlen einer Eröffnungsbilanz. Sehen wir irgendwo eine Gefährdung der finanziellen Stabilität Giengens? Im Gegenteil: Es ist die Kardinaltugend eines Kämmerers, das „Sach z ́amm zu halten“. Auch der Hinweis des RP (Regierungspräsidium) im Haushaltserlass deutet darauf hin. Wenn Giengen eine hohe Liquidität vorweisen kann, wieso soll es dann im Ausgleichsstock besonders bedacht werden? Wir zahlen jetzt bereits sog. „Verwahrentgelte“ in Höhe von 18 000 Euro im Jahr (was man auch mit “Strafzinsen“ übersetzen kann). Diese Liquidität kann auch durch Schuldentilgung abgebaut werden, was aber eher dort sinnvoll ist, wo eine hohe Zinslast anliegt (im Übrigen sind unsere Zinslasten in den letzten Jahren deutlich gesunken durch sinnvolle Umschuldungen). Noch sinnvoller erscheint uns, die Liquidität abzuschmelzen, indem man sie in „Betongeld“ bzw. Sanierungen und Investitionen umwandelt. Das Geld ist dann nicht weg, wir schaffen Gegenwerte. „Entschuldung und Gesundung des Haushalts bleibt oberstes Ziel“, so OB Henle in seiner Rede. Ok! Wir müssen unseren Ergebnishaushalt weiter verbessern, durchaus durch „Sparen“ an der richtigen Stelle. Eine nachhaltigere Entschuldung erreichen wir aber durch Abbau des Sanierungsstaus. Insofern haben Sie unsere Zustimmung zum „antizyklischen investitionsgeprägten Agieren als Motor für Handwerk und Gewerbe“. Im Rückblick erwies sich z.B. die „Sparpolitik“ von Kanzler Brüning, das Einfrieren von staatlichen Investitionen, als äußerst fatal. Franklin Roosevelt mit seinem „New Deal“ mit massiven Investitionen – auch um den Preis einer ansteigenden Verschuldung, erwies sich als weitaus effektiver ... und gesünder... Aber: wir müssen uns ja gar nicht hoch verschulden! Seit Jahren ist es üblich, mit Ausnahme des Katastrophenjahres 2013, dass die Rechnungsergebnisse weit – und zwar positiv - von den Planzahlen abweichen. Dennoch ist bei den Haushaltsberatungen immer wieder Kassandra zugegen, die warnt: nächstes Jahr wird ́s schlimm, übernächstes Jahr wird ́s noch schlimmer...und in 5 Jahren ist es ganz schlimm!“ Drei Bemerkungen dazu: Erstens, was Positives muss auch mal was Positives bleiben dürfen. Zweitens, wenn wir nicht den „Kaninchen vor der Schlange-Effekt“ herbeireden oder erliegen wollen, dürfen wir nicht ständig ein mögliches zweites „2013“ im Hinterkopf haben und drittens: Geld unter dem Kopfkissen bringt keinen Mehrwert. Wir gehen davon aus, dass der Kämmerer und die Verwaltung nach den so vorsichtig kalkulierten HH-Plänen der vergangenen Jahre nicht plötzlich über Nacht zu finanziellen Hallodris mutiert sind, sondern wieder einen seriösen Haushalt aufgestellt haben und die Unwägbarkeiten der Pandemie soweit miteingepreist haben, dass auch die Mifrifi nicht aus dem Ruder läuft (wobei wir ja alle wissen, dass die jedes Jahr neu justiert werden muss – ich erinnere nur an das GMG, wo wir HH-Ansätze für die Bergschule jahrelang mitgeschleift haben – oder an die Stadtrandstraße, da waren es über 8 Jahre). Leider steht dieses Jahr noch keine Haushaltsanalyse der Großen Kreisstädte seitens der IHK zur Verfügung und man muss die Infos suchen – aber Giengen ist im Ranking bei einigen Parametern ein paar Stufen hochgeklettert, unter anderem bei der gesunkenen Pro-Kopf-Verschuldung. Wir konstatieren, dass der Kämmerer und die Führungskräfte umsichtig gehandelt haben – andere Kommunen im Kreis sind härter durch eine finanzielle Schieflage getroffen als wir (die HZ berichtete). Also: Investieren, wo möglich und sinnvoll; Rücklagen bzw. jetzt Liquidität anzuhäufen ist kein Selbstzweck oder, um wieder ein Beispiel aus dem täglichen Leben anzuführen: wer in Nullzinszeiten jeden Spargroschen beiseitelegt, verzehrt Vermögen. Und jetzt höre ich: aber das RP mahnt uns, an die Folgekosten zu denken! Ja sicher, die muss ich natürlich einkalkulieren – aber mit Maß und Mitte: Wenn ich die Folgekosten zum Maßstab mache, dann kann ich kein Bergbad betreiben, dann kann ich keine Spielplätze bauen, dann braucht es keine Bibliothek, keinen Sinnesgarten respektive eine Kneipp-Anlage.
Ein paar Worte zum Stellenplan und zum Personal:
Auch hier fehlt leider die IHK-Analyse, aber bisher waren wir im Vergleich der Großen Kreisstädte beim Personalkostenanteil immer auf einem der letzten Plätze. Die im Entwurf vorgesehenen Stellenmehrungen finden unsere Zustimmung – mit einer Ausnahme, aber dazu komme ich noch. Sie sind entweder im Pflichtbereich zu finden oder einfach sinnvoll und notwendig, wenn es um Prävention und Betreuung geht oder um Sicherheit und Ordnung. Die Bestellung eines hauptamtlichen FFW-Kommandanten (freiwillige Feuerwehr) ist wohl unausweichlich, nicht nur, weil der Arbeitsanfall ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen ist, sondern auch, weil sich schlichtweg niemand findet, der das auf sich nimmt. Wir gehen aber davon aus, dass der Umfang nicht einer vollen Stelle entspricht und bitten die Verwaltung, darzulegen, durch welche Aufgaben und wie der hauptamtliche Kommandant auf eine volle Stelle kommt.
Eine Ansatzreduzierung wegen des leergefegten Marktes und dem Fachkräftemangel, der eine schnelle (Wieder-)Besetzung von im Plan enthaltenen Stellen verhindert, halten wir für nachvollziehbar. Wir gehen aber davon aus, dass wenn sich Personal findet, trotzdem eingestellt wird. Zur Behebung des Fachkräftemangels sollen Fortbildungsinitiativen bzw. auch Inhouse-Schulungen verstärkt werden.
Eine Stellenmehrung findet nicht unsere Zustimmung – das Thema Beigeordneter; nicht, weil wir das grundsätzlich ablehnen, viele Städte in unserer Größenordnung haben einen, sondern weil sich für uns die Sachlage nicht anders darstellt als im letzten Herbst. Es wurde bisher nicht im Gemeinderat beraten, es fehlt uns weiter die inhaltliche Präzisierung. Wir stellen deswegen den Antrag auf Streichung für den Haushalt 2021 und Beratung im Gremium noch vor der Sommerpause, sodass ggf.die Stelle ab 2022 eingerichtet wird.
Das „Jahr erlebbaren Handelns“ Herr Oberbürgermeister, Sie haben nach dem „Jahr der Spatenstiche“ das „Jahr des erlebbaren Handelns“ ausgerufen. Das Motto ist nicht schlecht, auch wenn wir uns schon wünschen, dass auch weiterhin geplant und Spaten gestochen wird, also das eine tun und das andere nicht lassen. Da schließt sich der Bogen zum eben beleuchteten Kapitel „Personal“. Ob und wie das Personal die Aufgaben stemmen kann, hängt erstens von der Anzahl der Mitarbeiter und dann von der Anzahl der Aufgaben ab.
Zu den einzelnen Sachthemen:
Spielplätze
Der Ansatz von 640 000 Euro erscheint auf den ersten Blick sehr hoch, aber wir haben den Anspruch einer lebenswerten Stadt, die besonders für Familien und Kinder attraktiv ist. Das Thema hat lange ein Schattendasein - manchmal wortwörtlich - geführt, wie das beauftragte Gutachten ergeben hat. Wir haben Nachholbedarf. Das erste große Pilotprojekt „Anlägle“ samt Skulpturenpfad hat letzte Woche die Gremiums-Hürde genommen und ist der erste Baustein für eine Zukunftssicherung mit attraktiver Innenstadt, passend zu unserem Tourismuskonzept. Das ist in der Tat erlebbares Handeln in 2021. Die Fraktion begrüßt auch die weiteren Projekte, in der Hoffnung, dass uns weder die zur Verfügung stehende Manpower noch die Finanzen einen Strich durch die Rechnung machen. Im Zweifel muss nicht alles in einem Jahr erledigt werden.
Kita, Betreuung, Schulen
Das ist und bleibt ein Dauerthema mit entsprechenden Herausforderungen trotz der Verzögerung bei der Kita Lederstraße auch hier ein deutlich sichtbares erlebtes Handeln; beschleunigt allerdings durch den Handlungsdruck des Gesetzgebers, der den Rechtsanspruch formuliert hat, beschleunigt durch die gesellschaftliche Realität und den wachsenden Bedarf. Wir sind hier im Landkreis noch weit unter Landesdurchschnitt, was die Betreuungsquote und den Ausbau der Ganztagesbetreuung angeht – da müssen wir nachsteuern. Aktuell ist die Kita Memminger Wanne mit Anbau weiterer multifunktioneller Räume. Wir haben das nachher auf der Tagesordnung, und da ich weder Kassandra noch sonst ein Prophet bin, will ich dem heutigen Beschluss nicht vorgreifen.
„Etwas für Ärger sorgt der Digitalpakt für Schulen bzw. die Verzögerungen bei der Umsetzung.“ Das ist ein Satz aus der letztjährigen HH-Rede. Bei den Schulen haben wir zwei Bereiche zu betrachten – einmal den der Ausstattung und der Lernmittel und den der Gebäudesanierung. Leider verdeutlicht gerade Corona die Versäumnisse der Landespolitik in Sachen Digitalisierung und die Kommunen als Schulträger – und damit auch Lehrer und Schüler - auf der untersten Ebene haben nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“ die Misere auszubaden. Mit dem Kauf von Endgeräten ist es jedoch nicht getan – das ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Ich komme später beim GMG (Gebäudemanagement) noch darauf zurück.
Gibt es im Etat einen Puffer für jetzt noch nicht absehbare Investitionen/Anschaffungen wegen Corona? Die Diskussionen diesbezüglich fangen gerade erst an.
Der Stellenmehrung in Sachen Betreuung stimmen wir ausdrücklich zu. Dies bleibt zusammen mit weiteren Hilfs- und Unterstützungsangeboten, wie Schulsozialarbeit, vordringliche Aufgabe, um nicht Gefahr zu laufen, immer einen Schritt zu spät zu kommen. Die steigenden Fallzahlen von „schwierigen Familienverhältnissen“ im Kreis zeigen uns, dass wir die Entwicklung genau beobachten müssen.
Die ersten Schritte zur vorgeschriebenen Jugendbeteiligung in Form von „Pizza und Politik“ sind pandemiebedingt ausgefallen, uns fehlt aber eine Vorstellung der Verwaltung, was dieser Auftaktveranstaltung folgen soll.
Sport, Freizeit, Kultur
Wir haben vor Kurzem eine sehr ambitionierte Sportentwicklungsplanung vorgestellt bekommen – die Verwirklichung, insbesondere was die Neugestaltung des Schießbergs angeht, scheint uns nur langfristig möglich zu sein. Dringlicher ist das Problem der Walter-Schmid-Halle als Sportstätte - Sanierung oder Neubau? Das ist wohl innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu lösen. Kurzfristig lösen müssen wir aber, auch wenn das manchmal recht emotional besetzt ist, die bessere Nutzung der Ressourcen, was Hallenzeiten und Hallenbelegung angeht.
„Ohne Kunst und Kultur wird ́s still“
Dass der Etat im KuS um 40 000 Euro gekürzt wurde, ist den Ereignissen geschuldet – wir stellen aber den Antrag, dass er wieder aufgestockt wird, wenn Corona es erlaubt. Froh sind wir, dass die unwürdige Unterbringung unserer Bibliothek demnächst der Vergangenheit angehört. Das Interimsquartier, mal sehen, wie lange, in der Marktstraße ist eine gute Lösung.
Integration
Integration ist eine Daueraufgabe, die uns alle betrifft, wir begrüßen deshalb, dass das Integrationsmanagement bis 2025 verlängert wird. So kann gelingen, was schon einmal bei den Heimatvertriebenen geschafft wurde. Damals wie heute sind aber alle Seiten gefordert, die, welche schon hier sind, egal ob schon immer oder ebenfalls zugezogen, und die Dazukommenden.
Infrastruktur
Ein Lob gilt dem Weitblick und dem Beharrungsvermögen des OB, der gegen vielfältige Widerstände die Ansiedlung zusätzlicher Betriebe im GIPA vorangetrieben hat, nicht nur der Arbeitsplätze wegen, in Giengen ist die Arbeitslosigkeit leider recht hoch, sondern mittelfristig auch wegen zu erwartender Gewerbesteuer. Durchaus ein Spagat zwischen Wirtschaftsförderung und Belangen der Landwirtschaft, aber wir denken, dass mit den Auflagen im B-Plan das Thema Umwelt- und Klimaschutz nicht vernachlässigt wird, unterstützt durch den Aufbau des Ökokontos.
Ebenfalls aus Klimaschutzgründen begrüßen wir die Absicht, den ÖPNV durch zusätzliche Bedarfsverkehre auszuweiten – dies ist gleichzeitig auch ein Beitrag für mehr Lebensqualität der nichtmotorisierten Mitbürger.
Die Lebensqualität und die Sicherheit für Anwohner wird auch verbessert durch unsere neuen stationären Geschwindigkeitsmessanlagen, nun auch in Hohenmemmingen und Hürben. Messungen haben ergeben, dass manche Zeitgenossen leider immer noch mit der Höhe ihrer Geschwindigkeit das Maß ihrer Freiheit messen. Um die Sicherheit noch mehr zu erhöhen, beantragen wir die Anschaffung eines weiteren Kameraeinschubs.
Lebensqualität heute bemisst sich auch im barrierefreien Zugang zum Internet. Wir haben nachher noch die Gründung einer Dienstleistungsgesellschaft für Straßenbeleuchtung und Breitband auf der Tagesordnung – wichtig für Unternehmen, Existenzgründer, Schulen. Die Ausweitung von W-Lan-Hotspots gehört heute zur Grundversorgung.
In früheren Reden hat die Stadtrandstraße immer einen sehr breiten Raum eingenommen. Nachdem der Vorkämmerer ja einst prophezeit hatte, dass man 2018 auf ihr fahren könne, ist die heutige Aussage zu diesem Thema ganz kurz: „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“
Eine Zeitlang sah es so aus, als ob das Sanierungsgebiet Sundgaustraße ein ähnliches Schicksal nähme und es sich ewig hinziehe: Ankündigung – Vertröstung - Planänderung – Vertröstung – Ankündigung – Planung ...; aber jetzt kommt wohl der berühmte Knopf. Aber das ist vielleicht ein gutes Beispiel für künftige Sprachregelungen: Wenn ich Zeitfenster zu optimistisch gestalte, verlieren sie an Glaubwürdigkeit.
Die große Baustelle auf Jahre hinaus ist unser Sanierungsgebiet Stadtmitte. Auch hier wird Handeln bereits erlebbar mit der Neugestaltung von Rathausplatz und Marktstraße als Herz Giengens. Was richtig und wichtig ist, wird dennoch getrübt durch den quasi „Ausverkauf“ in der Marktstraße. Im Lamm-Areal werden wohl erst Ende 2021 die Bagger rollen, beim geplanten „Haus der Bildung und Begegnung“ in der Marktstraße 18-22 sind wir gespannt auf die Definition von „mittelfristig“. Diesem „Ausverkauf“ der Marktstraße kann nur in einer konzertierten Aktion mit Vertretern von Verwaltung, Gemeinderat, Bürgern und dem GHV begegnet werden. Wir sitzen hier im gleichen Boot. Der Wirtschaftsförderer allein kann das nicht stemmen. Das Imakomm-Gutachten von 2015 hat inzwischen Staub angesetzt, der „Workshop Innenstadt“ mit Bürgerbeteiligung war bereits 2013, seither ist viel Wasser die Brenz hinuntergeflossen. Vielleicht ist ein solcher Workshop unter den neuen Prämissen wieder möglich.
Das führt über zu weiteren großen Leitplanken für unsere Stadtentwicklung. OB Henle zieht in seiner Haushaltsrede auf Seite 4 eine Bilanz seiner drei Amtsjahre – eine durchaus beachtliche, die sich sehen lassen kann. Sie haben einiges zum Abschluss gebracht, Neues bereits erfolgreich abgeschlossen sowie - im wahrsten Sinne des Wortes - weitere Baustellen angefangen (andererseits war dies auch nicht allzu schwer, in dieser Hinsicht die vorigen acht Jahre zu toppen). Wesentliche Forderungen der vergangenen Jahre wurden inzwischen realisiert bzw. in die Wege geleitet, Stichworte sind etwa LED-Beleuchtung, Mülldetektiv, Spielplatzkonzept, Baulandentwicklung und -bevorratung. Aber wir möchten auch kritisch anmerken, dass viele Projekte noch nicht erlebbar wurden. Wer vor Plänen und Ideen nur so sprudelt, läuft Gefahr, dass erstens Bedürfnisse erst geweckt werden – dann steht man unter Zugzwang: „die anderen/xy/Teilort a/Verein b haben doch auch ...; dass zweitens vorschnell Hoffnungen geweckt werden: „Aber Sie haben doch bei „Henle hautnah“ gesagt, dass ...“; man kann diesem Zugzwang entweder erliegen oder verursacht Enttäuschungen, künftige Passivität oder Gegnerschaft. Beides ist nicht gut! Eine Folge dieser Projektvielfalt und des Zugzwangs: die Ressource Personal gerät unter Druck. Um nicht missverstanden zu werden – es ist gut und richtig, wenn für die Zukunft geplant wird und die Leitplanken abgesteckt werden, auch dass Pläne vorhanden sind, sollte uns ein unerwarteter Geldsegen treffen, aber dass das eh schon knappe Personal – und auch finanzielle Ressourcen - für Projekte verbraucht wird, die dann nicht oder erst am Ende der Dekade zur Verwirklichung anstehen - sollten sie bis dahin nicht obsolet sein - , das besorgt uns. Seit Jahren begegnen wir Appellen zur Einsparung im Personalbereich mit dem Hinweis, dass die Mitarbeiter keine Zitronen sind, die nach Belieben ausgepresst werden können. Diese Vorhaben, die - wir nennen sie mal „Option Wartehalle“- „nebenbei“ gepflegt werden müssen, binden Ressourcen und sorgen dann für Verzögerungen für die wichtigeren Vorhaben auf der Prioritätenliste. Wir lasten diese Verzögerungen ausdrücklich nicht dem entsprechenden Personal an und wissen um den Fachkräftemangel, der Stellenbesetzungen sehr erschwert. Aber vielleicht ist an dieser Stelle die Bemerkung angebracht: „Weniger ist manchmal mehr“.
Ein Beispiel für die „Option Wartehalle mit Vertröstungen“ ist das Thema „Ärztliche Versorgung“. Zu ihrer Entlastung allerdings – das Problem haben Sie vom Vorgänger übernommen; bereits im März 2016 lautete die HZ-Headline „Beste Chancen für Ärztehaus“.
Ein Beispiel, wie der Gemeinderat ein Planen für den Papierkorb verhindern konnte, ist der Kita Lederstraße. Prägnant zusammengefasst: Nicht 20 Projekte in der Timeline anstoßen, lieber nur zehn und die dann auch fertigstellen. Es muss nicht alles in Ihrer ersten Amtszeit abgearbeitet werden.
Zur Stadtentwicklung gehört auch das Thema Wohnen und Baugebiete. Auch hier haben wir es mit konkurrierenden Zielen zu tun: wir wollen Zuzug, die demographische Entwicklung führt zu mehr Ein-Personen-Haushalten mit größerem qm-Bedarf, wir wollen aber auch den Flächenfraß durch ausgedehnte Eigenheimsiedlungen begrenzen, verdichtetes Bauen im Innenbereich fördern, also Baulücken schließen, ohne aber Wohnghettos zu schaffen. Die „gesunde Mischung“ sieht je nach Ziel anders aus. Unsere Realität: große Nachfrage nach Bauplätzen für Eigenheime, also ist die Ausweisung von neuen Baugebieten angebracht. Innenverdichtung hat ihre Grenzen, wo Grünzüge und Durchlüftung verhindert werden. Wir tragen die Entwicklung von neuen Baugebieten mit, inklusive der rechtzeitigen Bevorratung mit Erweiterungsflächen. Aber unsere Aufgabe darf sich nicht auf Ankauf und Verkauf an Privatleute und Investoren beschränken. Wir brauchen neue Wohnformen, Mehrgenerationenwohnformen, Ökologie, kleine Wohneinheiten, bezahlbare Wohnungen. Vor allem das! MdL Andreas Stoch fordert aus guten Gründen eine Wohnbaugesellschaft für BW, die im ganzen Land Mietwohnungsbau fördert, der bezahlbar ist. Nun sind wir nicht das Land und haben auch die Kreisbaugesellschaft, aber wir können bei der Grundstücksvergabe an Investoren nicht nur auf den maximal erzielbaren Erlös schauen, sondern auch gezielt Konzepte für neue Wohnformen mit sozialer Mischung bepunkten, ähnlich wie wir das bei der Bauplatzvergabe an Häuslebauer handhaben. Das näher zu beleuchten, sprengt den Rahmen einer Haushaltsstellungnahme, aber wir beantragen, dies zeitnah auf die Tagesordnung zu setzen.
Im Baugebiet Bruckersberg Ost bitten wir zu prüfen, inwieweit die Fläche über Spielplatz, Grillstelle, Bolzplatz Schritt für Schritt unter Beachtung des Naturschutzes in eine Art Bürgerpark zur Naherholung gestaltet werden kann.
Die Stadtentwässerung
bewegt sich wie fast jedes Jahr im Korridor zwischen Schuldenstand, Sanierungsbedarf und Gebührenanpassung.
Mehr zu sagen gibt es zum Gebäudemanagement.
Im Wirtschaftsplan des GMG wird ähnlich wie in den Vorjahren eine deutliche Unterfinanzierung von Unterhaltungsmaßnahmen für das gesamte Anlagevermögen dargestellt. Zudem kommt laut Jürgen Roth ein Personalstand „in doppelter Unterzahl“. Wir kennen die „großen Brocken“ bei den Investitionen in 2021, aber uns besorgt das eher langsame Tempo bei der Mammutaufgabe Schulsanierungen – aber das ist ja bekannt. Das Schulsanierungsprogramm und die gesamte Immobilienstrategie in der Innenstadt und in den Teilorten samt Liegenschaften greift im Idealfall wie ein Puzzle ineinander. Oder befinden wir uns eher in einem Labyrinth, mit Irrwegen, verschlungenen Pfaden, Sackgassen und Umwegen? Dann bräuchten wir einen deutlichen Ariadnefaden. Ich komme tatsächlich zum Schluss und zitiere Kurt Tucholsky mit seinen Ratschlägen für einen schlechten Redner: „nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich nicht anzufangen“ und ziehe doch den Ratschlag für gute Redner vor: „nie länger als 40 Minuten“ - obwohl es schon vorgekommen sein soll, dass Haushaltsreden länger als eine Stunde dauerten. Ich danke allen mit der Planerstellung befassten Mitarbeitern in der Verwaltung und in den Eigenbetrieben für die sorgfältige Erstellung.
Ich hoffe, wir können gemeinsam für eine gute Zukunft sorgen.
Gaby Streicher
Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion
03.02.2020 in Kommunalpolitik
Mythen und Legenden erfüllen eine wichtige Funktion, sie dienen der Selbstvergewisserung, der Identitätsbildung und der Erklärung von „wie ist es entstanden, was ist die Vorgeschichte?“ und meist erheben sie den Anspruch auf Wahrheit.
Dumm nur, dass ein Mythos der Wahrheit und den Fakten nicht standhält – oder glaubt noch jemand ernsthaft, dass eine Wölfin Romus und Remulus gesäugt habe und so die Gründung Roms ermöglichte?
Es gibt jedoch nicht nur solche Gründungsmythen, sondern auch kommunalpolitische Mythen, die sich hartnäckig...
22.11.2019 in Kommunalpolitik
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Henle,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Bürger
Nun liegt der erste Haushalt (HH) nach dem NKHR (Neuen kommunalen Haushaltsrecht) vor uns. Bei den ersten Überlegungen zu unserer HH-Stellungnahme dachten wir, das wird die kürzeste Stellungnahme aller Zeiten – da waren wir uns in den drei Fraktionen einig. Aber .... hören Sie einfach zu!
Paradigmenwechsel: Von der Kameralistik zur Doppik Kämmerer Dr. Brütsch sprach von einer „neuen Lesart“ – das ist die Untertreibung des Jahres – außer damit war gemeint, dass man manchmal die Lupe braucht, um etwa eine Tabelle entziffern zu können. Wir wollen uns an dieser Stelle gleich bei Dr. Brütsch bedanken – für den klaren, sachlichen Vortrag bei der Einführung des NKHR und bei der Doppik-Fragerunde und für seine Bereitschaft, den gleichen Sachverhalt ein zweites und drittes Mal zu erklären – wir sind dem „neuen Wesen“ nun auf der Spur oder „Learning by doing“. Aber wir haben zweifelsohne unsere Schwierigkeiten – niemand von uns hat NKHR studiert. Allein der „Leitfaden zur Bilanzierung“ der Gemeindeprüfungsanstalt ......
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