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Europawahl: Martin Schulz zum Freihandelsabkommen TTIP

Zur Europawahl bat unser Mitglied Karl H. Niewerth den Spitzenkandidat zur Europawahl Martin Schulz zu einer Stellungnahme zu den Verhandlungen zum "Freihandelsabkommen" TTIP.

Wir veröffentlichen die Anfrage und die Antwort aus dem Büro von Martin Schulz im Wortlaut:

Lieber Genosse Schulz,
vor dem Hintergrund der anstehenden Europawahlen bitten wir Dich um eine
differenzierte Stellungnahme zu den derzeitigen und größtenteils geheim
geführten Verhandlungen um die Freihandelszone -TTIP.
Mit freundlichem Gruß
Karl H. Niewerth


Lieber Karl,

vielen Dank für Deine E-Mail, die uns am 22.04.2014 erreicht hat.

Sicherlich hast Du Verständnis dafür, dass unser Spitzenkandidat für die Europawahl, Martin Schulz, nicht alle an ihn gerichteten Zuschriften persönlich beantworten kann. Er hat mich gebeten, auf Deine Nachricht zu antworten.

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll Vorschriften und Regeln in der Wirtschaft Europas und der USA langfristig so gestalten, dass sie besser zusammenpassen. Damit hat das Freihandelsabkommen großes Potenzial, Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung zu geben.
Darüber hinaus muss es darum gehen, dieses Freihandelsabkommen zu weltweiten Fortschritten bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten zu nutzen. Das Abkommen eröffnet die Chance, dass mit Europa und den USA die zwei größten Handelsräume weltweit Maßstäbe setzen und damit die wirtschaftlichen Globalisierung
maßgeblich politisch gestalten.

Die eigentlichen Verhandlungen stehen jetzt am Anfang. Tragfähige Verhandlungsergebnisse kann es frühestens Ende 2015 geben, in jedem Fall aber erst dann, wenn alle zentralen Fragen zufriedenstellend gelöst sind.
Das betrifft aus unserer Sicht vor allem die Berücksichtigung von Arbeitnehmerrechten, Nachhaltigkeit und die Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Dafür macht die SPD Politik.

Für uns ist klar: Standardabsenkungen bei Verbraucher-, Umwelt-, Datenschutz- oder Arbeitnehmerrechten darf es auf keinen Fall geben. Auch die Rechtsvorschriften zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt müssen gewahrt bleiben. Denn Europas Entwicklung basiert besonders auf der Balance zwischen den Interessen von Arbeitgebern und Beschäftigten, einem
hohen Schutz der Arbeitnehmer und einem starken sozialen Netz. Diese Lohn-, Sozial- und Beschäftigungsstrukturen in Europa werden sich durch ein Freihandelsabkommen mit den USA nicht verändern. Wenn unterschiedliche Schutzniveaus existieren, dürfen diese durch das Abkommen nicht nivelliert werden.

Vor diesem Hintergrund haben wir klare Bedingungen und Ziele definiert, die aus sozialdemokratischer Sicht im Rahmen der Verhandlungen erfüllt werden sollen:

- Tarifäre Hindernisse (Zölle) sollen abgebaut werden, um Wachstumschancen
zu erhöhen und die Preise für Verbraucher zu senken.
- Nicht-tarifäre Handelshemmnisse sollen abgebaut werden, z.B. durch die  Abschaffung doppelter, aber gleichwertiger Zulassungsverfahren. So können Synergieeffekte erzielt werden, von denen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen im internationalen Wettbewerb profitieren.
- Das Recht der Mitbestimmung, der Betriebsverfassung und der Tarifautonomie ist nicht Gegenstand der TTIP-Verhandlungen und darf es auch im Verlauf der Verhandlungen nicht werden. Es müssen weiterhin für alle Unternehmen die in Deutschland einschlägigen Vorschriften gelten, z.B. für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das
Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge.
- Schmutzigen Wettbewerb durch Lohndumping wollen wir nicht. Es soll ein Mechanismus zur wirksamen internen Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen und Umweltübereinkünfte geschaffen werden sowie Bestimmungen zur Unterstützung international anerkannter CSR-Standards.
- Im Bereich der öffentlichen Vergabe und Beschaffung ist es das Ziel, dass Anbieter in der EU und in den USA geleichberechtigten Zugang zu Ausschreibungsverfahren haben und nicht diskriminiert werden. Dabei dürfen durch das Abkommen die Verankerung sozialer und ökologischer Vergabekriterien nicht verhindert werden.
- Die Daseinsvorsorge darf nicht gefährdet werden. Audiovisuelle Dienstleistungen sind vom Anwendungsbereich des Abkommens auszunehmen. Dies ist bereits im Verhandlungsmandat niedergelegt. Die Mitgliedstaaten der EU müssen darüber hinaus das Recht haben, sensible Dienstleistungen wie den Kulturbereich mit dem Ziel des Erhalts der kulturellen Vielfalt besonders zu
unterstützen. Die öffentliche Kultur- und Medienförderung ist zu erhalten.
Die Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften über die Organisation der Daseinsvorsorge bleibt unberührt.
- Spezielle Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU nicht erforderlich, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren. In jedem Fall muss gelten:
Jeder Automatismus zu Investitionsschutzbestimmungen und Investor-Staat-Schiedsverfahren ist abzulehnen.

Wir sind davon überzeugt, dass transparentere Verhandlungen und eine lebendigere demokratische Debatte notwendig sind, um am Ende der Verhandlungen ein Abkommen zu haben, das von den Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wird. Über die nächsten Verhandlungsschritte muss die
Öffentlichkeit deshalb umfassend und genau informiert werden. Über sensible, politisch strittige Fragen soll eine unvoreingenommene und ergebnisoffene Debatte mit Beteiligung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft geführt werden.

Das Abkommen steht unter dem Zustimmungsvorbehalt des Europäischen Parlaments, des Rates und aller Voraussicht nach auch der 28 nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten. Dies zeigt: Ein TTIP, das die Interessen der europäischen Bürgerinnen und Bürger nicht berücksichtigt, wird es nicht
geben.

Weitere Informationen findest Du auf den Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums:

http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Handelspolitik/Europaeische-Ha
ndelspolitik/freihandelsabkommen,did=613270.html

Mit freundlichen Grüßen aus dem Willy-Brandt-Haus

Juliane Wlodarczak

SPD-Parteivorstand
Direktkommunikation

 


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